Inanspruchnahme von Angehörigen - Informationen zur Heranziehung Unterhaltspflichtiger zur Sozialhilfe

Wann kann das Sozialamt Unterhalt fordern?
Wenn das Sozialamt Leistungen erbringt, so kann kraft Gesetzes ein sog. Forderungsübergang an Unterhaltspflichtige erfolgen. Das heißt, das Sozialamt kann im eigenen Namen die Aufwendungen für den Unterhalt des Sozialhilfeempfängers (Leistungsberechtigter) gegenüber den Unterhaltsverpflichteten geltend machen, §§ 93 bis 95 SGB XII.

Von wem kann die Sozialbehörde Unterhalt fordern?
Bevor das Sozialamt Sozialhilfe leistet, wird geklärt, ob nahestehende Personen unterhaltspflichtig gegenüber dem Leistungsberechtigten sind. Es wird unterschieden zwischen gesteigert Unterhaltspflichtigen, normal Unterhaltspflichtigen und nicht Unterhaltspflichtigen.

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Gesteigert Unterhaltspflichtige
Gesteigert Unterhaltspflichtige müssen einen höheren Unterhalt leisten und können einen geringeren Selbstbehalt beanspruchen. Gesteigert unterhaltspflichtig sind nur Verwandte ersten Grades. Das betrifft: Eltern gegenüber ihren minderjährigen und unverheirateten Kindern. Dies gilt nicht, wenn eine minderjährige Unterhaltspflichtige schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut, Ehegatten untereinander, auch getrennt lebende und geschiedene Ehegatten, eheähnliche Gemeinschaft.

Normal Unterhaltspflichtige
Normal Unterhaltspflichtige müssen einen niedrigeren Unterhalt leisten und können einen höheren Selbstbehalt beanspruchen. Normal unterhaltspflichtig sind unter anderem:
Eltern für ihre volljährigen Kinder; d. h. ab dem 18. Lebensjahr haben die Eltern keine gesteigerte Unterhaltspflicht mehr, volljährige Kinder für ihre Eltern; d. h. auch für die Unterbringungskosten in Heimen sind die Kinder vom Sozialhilfeträger nur in geringerem Umfang heranziehbar.
Nicht unterhaltspflichtig Nicht unterhaltspflichtig sind die folgenden Verwandten:
Geschwister untereinander, Enkel für ihre Großeltern sowie Großeltern für ihre Enkel,
Verschwägerte untereinander, Schwiegertöchter oder -söhne für Schwiegereltern sowie Schwiegereltern für ihre Schwiegertöchter oder -söhne.

Wie wird der Unterhalt generell berechnet?
Die Berechnung der Unterhaltsleistung nach den sozialhilferechtlichen Bestimmungen gestaltet sich grundsätzlich folgendermaßen: Zuerst wird der so genannte ungedeckte Bedarf des Leistungsberechtigten ermittelt. Der Leistungsberechtigte muss zunächst selbst, soweit dies zumutbar ist, eigene Mittel einbringen. Das zur Verfügung stehende Einkommen muss daher unter Beachtung der unten stehenden Ausnahmen zunächst voll zur Deckung des eigenen Bedarfs eingesetzt werden. Dann er mittelt das Sozialamt z.B. bei Unterbringung im Pflegeheim den Fehlbetrag zwischen eigenem Einkommen des Leistungsberechtigten und den Pflegekosten. Dieser ungedeckte Bedarf wird vom Träger der Sozialhilfebehörde übernommen.

In welcher Höhe kann der Unterhaltspflichtige nach Sozialhilferecht mit seinem Einkommen herangezogen werden?
Ehegatten müssen für ihren im Pflegeheim lebenden Partner nicht ihr gesamtes Einkommen für den Unterhalt einsetzen. Gleiches gilt ebenfalls für unterhaltspflichtige Kinder gegenüber ihren im Heim lebenden Eltern.

In diesem Zusammenhang ist allerdings auf die umstrittene Auslegung des Einkommensbegriffs im neu eingefügten § 82 Abs. 4 SBG XII hinzuweisen. In einigen bayerischen Bezirken hat das zu einer verschärften Heranziehung des in der eigenen Häuslichkeit verbleibenden Ehepartners zu den Kosten der Heimunterbringung geführt. Diese erheblich höhere Kostenbelastung des unterhaltspflichtigen Ehegatten kann mitunter die Vermögenssituation des in der eigenen Häuslichkeit verbleibenden Ehepartners auf Sozialhilfeniveau herabsetzen.

Ehegatten
Nach den Unterhaltsrichtsätzen der so genannten Düsseldorfer Tabelle hat der unterhaltspflichtige erwerbstätige Ehegatte einen monatlichen notwendigen Eigenbedarf i.H.v. 900,00 Euro, ein nicht erwerbstätiger unterhaltspflichtiger Ehegatte i.H.v. 770,00 Euro (Stand Januar 2010).

Volljährige Kinder
Die Sozialämter orientieren sich beim Selbstbehalt der Kinder ebenfalls an der „Düsseldorfer Tabelle“. Danach beträgt der Selbstbehalt monatlich 1.400,00 Euro, zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens sowie mindestens 1.050,00 Euro für den mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden einkommenslosen Ehegatten. Die Unterhaltspflicht für die Kinder variiert nach Alter und Familieneinkünften zwischen 317,00 Euro und 781,00 Euro (Stand Januar 2010).

Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes vom 23. Oktober 2002 (XII ZR 266/99) brauchen die Unterhaltspflichtigen allerdings keine spürbaren und dauerhaften Einschränkungen ihres Lebensstils hinzunehmen. Vor allem muss genügend Geld bleiben, mit dem sie ihre eigene angemessene Altersvorsorge sichern können. Welcher konkrete Betrag den unterhaltspflichtigen Kindern verbleiben muss, lässt der Bundesgerichtshof dabei offen. Das ist eine Einzelfall entscheidung des Sozialamts, welches aber bei der Ermittlung des Selbstbehalts nicht mehr schematisch (nach Tabelle) vorgehen darf.

Nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7.6.2005 (1 BvR 1508/96) wird dem Kindesunterhalt gegenüber dem Elternunterhalt vorrangiges Gewicht verliehen. Die Belastung erwachsener Kinder durch die Pflicht zur Zahlung von Elternunterhalt soll unter Berücksichtigung ihrer eigenen (finanziellen) Lebenssituation in Grenzen gehalten werden.
Was ist unter Einkommen im sozialrechtlichen Sinne zu verstehen?
Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (Sachbezüge), z. B. Arbeitslohn, Krankengeld, Renten, Unterhaltszahlungen, Untermietbezüge, Zinsen. Das Einkommen muss dem Hilfesuchenden tatsächlich zur Verfügung stehen (Grundsatz der bereiten Mittel).

Bestimmte Einkünfte zählen kraft ausdrücklicher Bestimmung nicht als Einkommen:

Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, Grundrenten, Erziehungsgeld, öffentlich-rechtliche Leistungen, die ausdrücklich zu einem anderen Zweck als der Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt werden (z.B. Pflegegeld aus der Unfallversicherung, Wohngeld).Auch muss das Einkommen um folgende Bestandteile bereinigt werden: auf das Einkommen entrichtete Steuern, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, einschl. der Beiträge der Arbeitslosenversicherung, Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (z. B. Einbruch-, Diebstahls-, Feuer-, Hausrat-, Haftpflicht-, Kranken-, Rechtsschutzversicherung), die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (z.B. Aufwendungen für Arbeitsmittel, Fahrten zum Arbeitsplatz, Beiträge zu Berufsverbänden).

Kreditkosten für angemessene Anschaffungen (z.B. Zins- und Tilgungsbeträge für das Eigenheim).Nicht absetzbar vom Einkommen sind bei der Einkommensbereinigung grundsätzlich folgende Aufwendungen: in der Regel Kfz-Haftpflichtversicherungsbeiträge, Rundfunk- und Fernsehgebühren, Kosten für Tages- und Rundfunkzeitungen, Kosten für Krankenhaus-Tagegeldversicherungen, Beiträge zu Sparverträgen. 

In welcher Höhe kann der Unterhaltspflichtige nach Sozialhilferecht mit seinem Vermögen herangezogen werden?

Neben dem Einkommen ist zur Deckung des ungedeckten Bedarfs auch Vermögen einzusetzen. Ist Vermögen vorhanden, so ist es, soweit es sich nicht um Schonvermögen handelt, grundsätzlich zur Deckung des ungedeckten Bedarfs heranzuziehen. Dies ist dann bedeutsam, wenn aufgrund des (niedrigen) Einkommens des Unterhaltsverpflichteten eine Inanspruchnahme hinsichtlich des Einkommens nicht oder nur teilweise möglich ist und noch ein ungedeckter Bedarf verbleibt.

Zum „Vermögen“ im Sinne des SGB XII gehört das gesamte verwertbare Vermögen. Damit werden alle beweglichen und unbeweglichen Sachen, Forderungen und sonstige Vermögens-werte erfasst, die verwertet werden können.

Nicht zur Unterhaltspflicht herangezogen werden kann das so genannte Schonvermögen, z.B.:

Vermögen, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes gewährt wird, angemessener Hausrat (wobei die bisherigen Lebensverhältnisse des Hilfesuchenden zu berücksichtigen sind), Gegenstände, die zur Aufnahme oder zur Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind, Familien- und Erbstücke, deren Veräußerungen für den Hilfesuchenden oder seine Familie eine besondere Härte bedeuten würde,

Gegenstände, die zur Befriedigung geistiger, besonders wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz kein Luxus ist, kleinere Barbeträge.Zum Schonvermögen zählt auch ein angemessenes Hausgrundstück, besonders ein Familien-heim, wenn der Hilfesuchende das Hausgrundstück allein oder zusammen mit Angehörigen, denen es nach seinem Tode weiter zur Wohnung dienen soll, ganz oder teilweise bewohnt (keine Mehrfamilienhäuser, Appartementhäuser, Geschäftsgebäude). Die Angemessenheit bestimmt sich dabei nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf, der Grundstücks- beziehungsweise der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes.

Selbst wenn ein Ehegatte in einem Pflegeheim untergebracht wird, verliert das Eigenheim seine Schonvermögenseigenschaft nicht, wenn es durch den anderen Ehegatten (gegebenenfalls mit weiteren Angehörigen) bewohnt wird.

Allerdings ist das Eigenheim als Schonvermögen nur auf Zeit vor einem Zugriff des Sozialamts geschützt. Denn nach dem Tod des Leistungsberechtigten ist dessen Erbe grundsätzlich zum Ersatz der innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendeten Sozialhilfekosten verpflichtet, wobei diese Haftung auf den Wert des Nachlasses begrenzt ist.

Wenn eine Immobilie im Wege vorweggenommener Erbfolge auf einen oder mehrere Erben übertragen wird, muss bedacht werden, dass das Sozialamt auch Anspruch auf etwaige Schenkungen aus den vergangenen zehn Jahren erheben kann. Es ist also bedenkenswert, dass Vermögensverfügungen schon zu Lebzeiten und frühzeitig getroffen werden, wenn man sich über die Modalitäten in der Familie einig wird. Liegen zwischen einer Schenkung und der In anspruchnahme durch das Sozialamt mehr als zehn Jahre, so ist eine Schenkung und auch Teilschenkung durch das Sozialamt nicht mehr angreifbar. Andernfalls könnte das Sozialamt die Schenkung anfechten und das begünstigte Kind/Enkelkind zur Zahlung eines angemessenen Entgelts für das Geschenk verpflichten, z. B. in Form regelmäßiger Zuschüsse zu den laufenden Kosten oder eine höhere Einmalzahlung.

Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber behinderten oder pflegebedürftigen volljährigen Kindern – § 94 SGB XII 
Leistet das Sozialamt bei volljährigen behinderten oder pflegebedürftigen Kindern Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege, dann zahlen deren Eltern einen pauschalen Unterhaltsbeitrag von maximal 31,07 € monatlich, ohne Überprüfung des Einkommens und Vermögens der Eltern. Leistet das Sozialamt bei volljährigen behinderten oder pflegebedürftigen Kindern Hilfe zum Lebensunterhalt, dann zahlen deren Eltern einen pauschalen Unterhaltsbeitrag von maximal 23,90 € monatlich, ohne Überprüfung des Einkommens und Vermögens der Eltern. Treffen beide Pauschalen zusammen, wird insgesamt ein monatlicher Pauschalbetrag von gegenwärtig maximal 54,97 € von den Eltern verlangt.

Die Eltern müssen o.g. pauschale Unterhaltsbeiträge nicht zahlen, wenn sie selbst Hilfe zum Lebensunterhalt bekommen oder diese Unterhaltsbeitragszahlung eine unzumutbare Härte für sie bedeuten würde.

Welche Verfahrensgrundsätze sind zu beachten?
Die Sozialhilfebehörden können vom Unterhaltspflichtigen Auskunft über Einkommen oder Vermögen fordern. Gegen diese Auskunftsverpflichtung kann man sich nach der derzeitigen Rechtsprechung nicht wehren. Die Auskunftsverpflichtung kann notfalls mit Zwangsmaßnahmen wie Zwangsgeld erzwungen werden. Auskunftserteilung bedeutet noch nicht, dass Unterhalt auch tatsächlich gezahlt werden muss. Wenn die geforderte Auskunft vorliegt, wird von der Sozialhilfebehörde ermittelt, ob und ggf. in welcher Höhe der Unterhaltspflichtige an das Sozialamt Unterhalt für den Sozialhilfeempfänger zahlen muss. So beurteilen die Sozialämter auch regional unterschiedlich im Rahmen ihres Ermessensspielraumes, was zum Einkommen zählt und was als Schonvermögen zu berücksichtigen ist.

Wird der vermeintlich Unterhaltspflichtige nach Prüfung seiner Einkommens- und Vermögenssituation vom zuständigen Sozialhilfeträger schriftlich aufgefordert, einen bestimmten Unterhaltsbetrag zu leisten, gilt folgendes Verfahren:
Bei der Aufforderung zur Zahlung an den Sozialhilfeträger handelt es sich nicht um einen Bescheid, der einem Verwaltungsakt entspricht. Deshalb ist gegen diese Zahlungsaufforderung auch kein Widerspruch einzulegen, wenn der mutmaßliche Unterhaltspflichtige der Ansicht ist, dass ein Anspruch des Sozialhilfeträgers gegen ihn nicht besteht. Er muss zunächst nicht gegen die Zahlungsaufforderung vorgehen. Vielmehr hat der Sozialhilfeträger den von ihm behaupteten Anspruch vor Gericht geltend zu machen, da über diese Ansprüche der Sozialbehörde gem. § 94 Abs. 5 SGB XII im Zivilrechtsweg zu entscheiden ist.

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